Zur Geschichte der Eisenbahn in Nienhagen - von Konrad Soppa
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Die früher selbständige Gemeinde Nienhagen wurde im Zuge der Groß- gemeindebildung im Jahre 1970 in die Stadt Detmold eingegliedert. Zu-
sammen mit dem Bahnhof Remmighausen, der im letzten Teil dieser Artikelserie noch zu behandeln sein wird, sorgte Nienhagen dafür, dass Detmold quasi "über Nacht" drei statt bisher nur einen Bahnhof besaß. Somit wurde Nienhagen Teil der Detmolder Eisenbahngeschichte, die in dieser Artikelreihe gewürdigt werden soll.
Zur Vergangenheit der Nienhagener Eisenbahn ist leider nur sehr wenig bekannt und so gehört der bei Menninghaus wiedergegebene Gleisplan schon zu den "umfangreicheren" Darstellungen über diese Station. In Vorbereitung dieses Artikels hat sich der Verfasser daher entschieden, mit Hilfe der Tagespresse die Informationslage etwas zu verbessern. Tatsächlich meldeten sich daraufhin eine Reihe von Personen, die, zumeist als ehemalige Nienhagener oder Eisenbahner, das eine oder andere Detail aus der Geschichte der Station Nienhagen zu berichten wussten. Mit ihrer Hilfe ließ sich wenigstens der Zeitraum von den 1930ern bis zu den 1960er Jahren etwas aufhellen.
Bereits aufgrund seiner geographischen Lage zwischen den Städten Detmold und Lage ergab sich, das bereits sehr frühzeitig Eisenbahngleise über Nienhagener Gebiet verlegt wurden. So gehörte der kleine Ort zu den wenigen privilegierten Gemeinden, die von dem Bau der CME-Stichstrecke von Herford über Lage nach Detmold berührt wurden (Einweihung der Strecke am 31.12.1880, Aufnahme des fahrplanmäßigen Betriebes am 01.01.1881). Wenngleich der Eröffnungszug auch über Nienhagener Terrain rollte, so konnte man hier kein Kapital aus den Vorzügen der Eisenbahn schlagen, denn der CME hatte keinen Gedanken daran verschwendet, hier einen Haltepunkt, geschweige denn, einen Bahnhof anzulegen. Übrigens erging es Schötmar und Sylbach, beide an der gleichen Strecke gelegen, nicht anders. Recht bald nach der Aufnahme des Bahnverkehrs zwischen Detmold und Herford dürfte es sich gezeigt haben, dass die an den Betrieb der lippischen Strecke geknüpften wirtschaftlichen Erwartungen voll erfüllt wurden. Hierzu dürfte insbesondere das seinerzeit in Lippe sehr ausgeprägte Phänomen der Wanderarbeit beigetragen haben, was die inzwischen auf den preußischen Staat übergegangene Eisenbahnverwaltung recht ansehnliche Fahrgastzahlen bescherte. So erfolgte im Jahre 1895 die Verlängerung der Strecke von Detmold bis Altenbeken, was zu einem Lückenschluss zwischen der Königlich Westfälichen Eisenbahn und der CME-Stammstrecke und damit zu einem deutlich erhöhten Verkehrsaufkommen auf der lippischen Strecke führte. Nunmehr ergab sich auch für kleinere Gemeinden die Möglichkeit, mit einem eigenen Bahnhof an der Strecke zu partizipieren und zwar nicht nur im Bereich des neuen Streckenteils zwischen Detmold und Altenbeken, sondern auch und gerade an dem ursprünglichen Streckenteil, an dem auch Nienhagen lag. Ob Nienhagen bereits von Anfang an "Bahnhofsrechte" hatte oder zunächst nur als Haltepunkt fungierte, ist leider nicht bekannt. Fest steht aber, dass die Station in Jahre 1893 angelegt wurde, da sie mit dieser Jahreszahl erstmalig in den Aufzeichnungen der preußischen Staatseisenbahn über den in Lippe getätigten Personen- und Frachtverkehr Berücksichtigung fand. Da in dieser Übersicht jedoch nur der Fahrkartenverkauf erwähnt ist (1893: 24.797 Fahr- karten, im Folgejahr waren es 26.763), nicht aber der Güterverkehr, dürfte hieraus der Schluss zu ziehen sein, dass Nienhagen nicht von Anfang an eine Güterabfertigung besaß. Es liegen leider keine Hinweise darauf vor, wann diese eingerichtet wurden. Um etwa 1929 / 1930 erfolgte auf dem Kupferberg ein groß angelegter Holzeinschlag. Die Baumstämme wurden vom Kupferberg zum Bahnhof Nienhagen transportiert. Hier standen vorübergehend große Sägen, die die Stämme zu Grubenholz verarbeiteten, welches dann an Ort und Stelle auf Waggons verladen und abgefahren wurde.
Einige Jahre später (Anfang der 1930er Jahre standen auf den Nienhagener Bahngelände Asphaltkocher. Das mit der Bahn angelieferte Rohmaterial wurde in diesen Kochern zu gebrauchsfertigen Asphalt aufbereitet, auf Spezialfahrzeuge verladen und dann zur Denkmalstraße gebracht (Zufahrt zum Hermanndenkmal), da diese Strecke eine Teerdecke bekam.
Mitte der 1930er Jahre spitzte sich im benachbarten Lage die Situation am Bahnübergang Lemgoer Straße zu. Aufgrund des inzwischen sehr umfangreichen Rangierverkehrs im dortigen Bahnhof und der Tasache, dass der Bahnübergang der ehemaligen Reichsstraße 66 innerhalb des Bahnhofs lag, summierten sich die Schrankenschließzeiten auf mehrere Stunden täglich (!) Es wurde dringend nach einer Lösung für das Problem gesucht, an Vorschlägen dazu mangelte es nicht. Während vorwiegend bauliche Möglichkeiten ausgelotet wurden, wie z.B. die Höherlegung des Bahngeländes oder der Bau einer Straßenbrücke, tauchte in den Gesprächen zwischen den Planungsträgern immer wieder Andeutungen auf, die Bahn wolle den Rangierverkehr aus Lage ganz herausnehmen und dafür bei Nienhagen einen großen, neuen Rangierbahnhof anlegen. Damit wäre das Nadelöhr des Lagenser Bahnüberganges Lemgoer Straße endlich "vom Tisch" gewesen.
Unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges war Nienhagen aber auch in ganz anderer Hinsicht im Gespräch. Die deutsche Wehrmacht hatte nämlich 1939 die Absicht, den Truppenübungsplatz Augustdorf zusätzlich zuder schon nach Süden und Westen bestehenden regelspurigen Gleisanbindung auch nach Osten hin über die Schiene erreichbar zu machen. Es bestanden Planungen, das Kasernengelände mit einer Schmalspurbahn an den Bahnhof Nienhagen anzuschließen. Die Bahn sollte dabei durchweg parallel zur Bielefelder Str. / Augustdorfer Str. geführt werden. Da sich sonst unzulässige Steigungsverhältnisse ergeben hätte, schwenkte die Bahntrasse etwa in Höhe der Quellenstraße nach Westen und verlief dann durch das dortige Waldgebiet weiter in Richtung Augustdorf. Etliche Landwirte, die im Bereich der vorgesehenen Trasse Besitz hatten, waren bereits enteignet worden und an mehreren Stellen hatte der Reichsarbeitsdienst (RAD) schon damit begonnen, das Planum der Strecke herzustellen. Mit Kriegsausbruch im September 1939 wurden die Bauarbeiten eingestellt und später nicht wieder aufgenommen. In den 1950er Jahren besann man sich noch einmal dieses Bauvorhabens, doch davon später mehr.
Das ehemalige Blindenheim an der Bielefelder Straße diente während des 2.Weltkrieges als Kindererholungsheim. Zumeist wurden hier Kinder aus dem Großraum Dortmund untergebracht, die Lippe per Bahn erreichten und zwar am Bahnhof Nienhagen. Den Weg vom Bahnhof zum Erholungsheim legten sie zu Fuß zurück.
Etwa im Januar / Februar 1945 wurden im Bereich des Nienhagener Bahnhofs durch Einheiten der "Waffen SS" Schmalspurgleise abgeladen und auf der Wiese beim Sperrholzwerk (an der Brücke über die Werre) gelagert. Was mit den Schienen letztendlich bezweckt werden sollte, ist nicht bekannt. Leider gibt es nur sehr wenige Hinweise auf ehemalige Bahnmitarbeiter, die in den 1940er und 1950er Jahren auf dem Bahnhof Nienhagen Dienst taten.
Insbesondere während der Jahre 1944 / 45 war die Eisenbahn ein bevorzugtes Ziel alliierter Jagdbomber. So erinnert sich ein Augenzeuge an einen JaBo- Angriff auf einen im Bahnhof Nienhagen stehenden Güterzug, als eine aus Richtung Dörentrup kommende P-38 "Lightning" der amerikanischen Luftwaffe den Zug unter Beschuss nahm. Nachdem die zugeigene Flak zurück schoss, drehte die Maschine sofort ab und verschwand. Diese Begebenheit ist übrigens der einzige Beleg für den aktiven Einsatz von Eisenbahnflak auf lippischen Gleisen.
Etliche Augenzeugen berichten übereinstimmend davon, dass die in unmittelbarer Bahnhofsnähe vorhandene Fußgängerbrücke über die Werre nicht mehr benutzbar war. Ab wann dies genau der Fall gewesen sein soll, lies sich nicht mehr ermitteln. Einerseits wollen Betroffene sich daran erinnern können, dass die Brücke in den letzten Kriegstagen zerstört worden sei, andere schreiben dies dem Hochwasser von 1946 zu. Ein dicker Baum, der einige Zeit als Brückenersatz diente und dessen Rinde durch die eifrige Benutzung schon abgewetzt war, ist den meisten Zeitzeugen aber in lebhafter Erinnerung geblieben.
Nienhagen gehörte, wie auch alle anderen Nachbarstationen, in den Jahren 1946 bis 1948 zur Detmolder Military Railway, über die in dieser Artikelreihe schon mehrfach berichtet wurde. Englische Soldaten, die in dieser Einheit Dienst taten, haben gelegentlich fotografiert. Viele der damals entstandenen Fotos sind bis heute erhalten geblieben, einige wenige davon sogar publiziert. Eine der bereits veröffentlichen Aufnahmen zeigt ein äußerst sehenswertes Behelfsstellwerk, dass nach der Bildunterschrift in Nienhagen gestanden haben soll. Da ernsthafte Zweifel daran bestanden, ob zum fraglichen Zeitpunkt tatsächlich ein solches Konstrukt auf dem Nienhagener Bahnhof anzutreffen war, wurde der damalige Fotograf um Überprüfung gebeten. Hierbei stellte sich dann tatsächlich die Fehlerhaftigkeit der Bildunterschrift in dem Buch heraus, denn das Behelfsstellwerk stand in Northeim, nicht in Nienhagen.
Viele ehemalige Augustdorfer Rekruten wird der Bahnhof Nienhagen bis heute in Erinnerung sein. So war es in den 1960er Jahren noch üblich, mit Bus und Bahn zur Kaserne zu fahren. Was den Wochenendurlaub an ging, waren die Fahrpläne so abgestimmt, dass die am Bahnhof Nienhagen aussteigenden Soldaten sofort ihren Anschlussbus besteigen konnten, der sie gerade noch rechtzeitig bis zum Kasernentor brachte.
Das Ende der Station Nienhagen kam 1975, als das historische Empfangsgebäude nach 82 Dienstjahren abgerissen wurde. Zugleich entstand am nahen Bahnübergang ein neues Stellwerksgebäude (Inbetriebnahme am 25.07.1975), das einem dunkelgrün gestrichenem Zweckbau entsprach.
In den 1980er Jahren stellte die Stadt Detmold Überlegungen an, die erst wenige Jahre zuvor geschlossenen Stationen Remmighausen und Nienhagen wieder zu aktivieren. Bezüglich Nienhagen war angedacht, am Standort des früheren Bahnhofsgeländes einen Haltepunkt und einen zugehörigen "Park & Ride"- Parkplatz entstehen zu lassen. Die Planungen verliefen dann aber bekanntlich im Sande ...
Heute ist schon fast vergessen, dass Nienhagen einmal einen Bahnhof besaß, denn seit der Schließung 1975 hat dort kein Zug mehr gehalten, der planmäßig Fahrgäste ein- und aussteigen ließ. Da die Gleisanlagen lange Zeit noch vorhanden und betriebsbereit waren, konnte Nienhagen noch für Zugkreuzungen genutzt werden. Bei umfangreichen Gleisbauarbeiten Ende Nov./ Dez. 2006 wurde das alte Überholgleis ausgebaut, so dass Nienhagen für Kreuzungen fortan nicht mehr zur Verfügung steht.
Der Bahnübergang über die Pivitsheider Straße machte durch seine langen Schließzeiten pro Zugdurchfahrt besonders bei dadurch verärgerten Autofahrern von sich reden. Bei diesem Übergang handelte es sich um einen der letzten in Lippe, deren Schließung noch per Hand erfolgte.
Seit 2011 wird der Bahnübergang mittels einer automatischen Signal- und Schrankenanlage mit deutlich kürzeren Schließzeiten betrieben. Im Zuge dieser Modernisierungsmaßnahme wurde auch das seitlich stehende, dunkelgrüne Stellwerksgebäude abgebrochen (siehe Bild 2).